Clichy. Traditionell? Gut!
Das letzte ernsthaft betriebene Restaurant, aus einer Zeit, in der weit mehr als eine Handvoll Michelin-Sterne über Hannover strahlten. Eine Bestandsaufnahme.
Erstens: Bei weinseligen Diskussionen in den von schwedischen Möbelhäusern durchgestylten Küchen der Stadt unbedingt darauf achten, dass der hier total gern und immer ein wenig zu arrogant gebrauchte Begriff »Edelrestaurant« zumeist von Leuten benutzt wird, die in ihrem Leben noch kein Lokal in dieser Kategorie von innen gesehen haben.
Zweitens: Noch später am Abend, nach noch mehr Wein, den man selbst natürlich nur sehr wohldosiert zu sich genommen hat, mal ein Auge und ein Ohr dafür haben, wo die Kinderstube der Anwesenden stand. Denn merke: Du bekommst den Mann, natürlich auch die Frau, zwar aus der Plattenbausiedlung, die Plattenbausiedlung aber nicht aus dem Mann. Oder aus der Frau, was ich, ehrlich gesagt, aber noch viel schlimmer finde.
Drittens: Und wer dann am nächsten Morgen in der lokalen Tagespresse lesen kann, wie der Wirt der Woche gefragt wird, welches gastronomische Angebot der Stadt wirklich fehlt und der dann »Ein Sternerestaurant!« sagt, mal kurz dran denken, wie viele Michelin-Sterne wir in Hannover mal hatten. Geblieben ist keiner.
Viertens: Eines dieser Restaurants aus der kulinarischen Blüte der Stadt gibt es aber immer noch, Ekkehard Reimanns Clichy, das still auf einer Ecke am Weißekreuzplatz liegt. Ohne Stern, aber mit viel Seele, einem zackigen Service, klassischem Ambiente, kleiner Küche. Also, in Quadratmetern gemessen. Dazu Chef, der mit seiner Gelassenheit dafür sorgt, dass man sich wohl fühlt. Ein wahrer Grandseigneur der Szene, der den Feierabend noch immer ab und zu im »Casa« ausklingen lässt.
Fünftens: Freitagabend, alles schön, die Woche hatte sich gewaschen, von explodierter Espressomaschine bis kollabierter Assistentin war so ziemlich alles drin. Spontan essen gehen? Klar! Mal wieder ins Clichy? Immer gut! Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Herr Reimann und sein Küchenchef, der Herr Nussbaum, schaffen es, hier Qualität auf den Tisch zu bringen. Klassisch, ohne viel Gezicke, kein Teller-Ikebana, klare Kante, es geht um gute Produkte und ihre ordentliche Zubereitung. Passt.
Sechstens: Und sonst so? Service, aber bitte mit Herz! Wie in allen Reimann-Restaurants ist der im Clichy hervorragend. Unaufdringlich, smart, professionell. So will man das am Ende eines harten Tages. Der unglaublich freundliche Herr Sonntag zieht eine Flasche Sauvignon Blanc für mich auf und ich weiß: Diese Woche kommt zu einem guten Ende.
(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Winter 2011)