Der spricht mir aus der Seele, der Mann.
Ein Blog, das ich besonders gern lese, ist das vom Kollegen von Lobenstein aus Berlin. Hier kommt Ihr hin und da erfahrt Ihr auch alles Weitere über ihn und seine Agentur. Er schreibt oft über Themen, die auch mich bewegen. Und das sogar so, wie ich es annähernd auch getan hätte … Bestes Beispiel: Zum Thema einen Pitch verlieren hat er neulich einen tollen Eintrag veröffentlicht, den ich, weil ich ihn klasse finde, 1 : 1 kopiert habe und hier noch einmal online stelle. Das können gar nicht genug Leute lesen, die damit beruflich zu tun haben. Also los:
Einen Pitch zu verlieren ist scheiße. Kann man zwar diplomatischer ausdrücken, ist aber so. Als vermeintlicher Zweiter zu verlieren ist besonders scheiße. Von allen Verlierern ist man der erste Verlierer. Na toll! Fragen Sie mal beim FC Bayern in diesen Tagen nach, wie sich das anfühlt. Und in diesen berühmt-gefürchteten Anrufen vom Kunden nach dem Pitch fällt der Begriff “knapper Zweiter”, zurecht oder nicht, bekanntlich besonders gern. Man will der Agentur ja nicht noch zusätzlich “wehtun” und so. Also meist nicht nur verloren, sondern gefühlt auch noch erster Verlierer.
Dann aber kommt der Gang zur Mannschaft. So wie Heynckes nach dem DFB-Pokal-Debakel seine Jungs wieder aufrichten musste für das “Finale dahoam”, so müssen wir unsere Truppe wieder aufrichten. Der nächste Pitch, das nächste Finale kommt bestimmt. Jetzt weiß ich zwar nicht, was Heynckes seiner Elf beim ersten Training nach der Niederlage erzählt hat (funktioniert hat es jedenfalls nicht). Aber ich kenne die 7 billigsten und schädlichsten Methoden, rhetorische Trostpflaster nach einem verlorenen Pitch zu verteilen. Ich habe sie nämlich alle schon selbst benutzt:
1. Der Kunde war noch nicht bereit für unsere Lösung.
“Sie fanden uns zu mutig, zu radikal, zu revolutionär für ihre Firma”. Die Wahrheit: Wir waren nicht gut genug, herauszufinden, was der Kunde wirklich braucht, was ihn auf dem Weg zur Erreichung seiner Ziele wirklich begeistern könnte.
2. Der Kunde hat sich für eine bestimmte Person entschieden.
“Der xy kennt den Marketingvorstand von früher. Die haben bei zx schon mal zusammengearbeitet”. Die Wahrheit: Wir haben es weder in der NB-Aquisitionsphase (und die gehört zum Pitch dazu), noch während des Pitches geschafft, den Kunden von den Köpfen und den Herzen der Agentur zu überzeugen und ihm abseits des reinen Pitchergebnisses Lust darauf gemacht, in den nächsten Jahren mit uns zu arbeiten.
3. Der Kunde ist ein Vollidiot.
“Der hatte keine Ahnung von nichts. Der erkennt eine gute Idee doch noch nicht einmal, wenn sie ihn von vorn anfällt”. Die Wahrheit: War der Kunde eigentlich schon ein Idiot, als er uns nach der netten Agenturpräsentation mitteilte, daß wir im Pitch sind? Oder fanden wir ihn da nicht noch sehr schlau? ( Und wenn nicht, warum haben wir dann teilgenommen?) Und was hat sich seither geändert? Wer also ist hier der Idiot? Wir hatten die Chance, wir haben sie nicht genutzt. Ende der Durchsage, Ende der selbstbelügenden Maulerei über unfähige Kunden.
4. Der Kunde wollte eine größere Agentur.
“ Der ist eher so ein typischer Network-Kunde”. Die Wahrheit: Warum sind wir wohl auf der Pitch-Liste gewesen, wenn wir von vornherein ihre Anforderungskriterien nicht erfüllt haben? Wir haben sie einfach nicht mit unserer Arbeit begeistert.
5. Der Kunde wollte eine kleinere Agentur.
“Der hat eine totale Aversion gegen Networks. Der wollte einen inhabergeführten Laden”. Die Wahrheit: siehe 4.
6. Der Kunde wollte eine billigere Agentur.
“Die anderen sind da mit totalen Kampfpreisen ins Rennen. Das lief dann nur noch über den Einkauf”. Die Wahrheit: Kann sein, daß die Konkurrenz finanzielles Dumping betrieben hat. Aber Geld allein entscheidet keinen professionellen Pitch. Noch nicht einmal annähernd. Ein Kunde, der die Agentur wirklich will, ist auch bei den Konditionen verhandlungsbereit. Wir sind nicht zeitnah zum Pitch aufgefordert worden, über Geld und Vertrag zu reden? Dann waren wir einfach nicht gut genug.
7. Der Kunde wollte eine bestimmte Agentur.
Version A: “Die wollten gar keinen Pitch. Die wollten ihre Agentur nur mal erschrecken”.
Version B: “Die wollten auf jeden Fall eine neue Agentur. Wir als Etathalter hatten vom Start weg keine Chance”.
Die Wahrheit: Bei geschickter Überprüfung und Ehrlichkeit im Umgang mit sich selbst und seinen Chancen weiß man das normalerweise vor dem Pitch. Also entweder ein Kampf gegen die statistische Wahrscheinlichkeit. Mit Ansage an das Team vorab. Oder aber einfach nicht teilnehmen. Beides eine Chef-Entscheidung. Es hinterher als überraschende Niederlagen-Erkenntnis zu verwenden, fällt nur auf den Chef und sein Urteilsvermögen zurück.
Zur Klarstellung: Ich bin kein Freund von Pitches als Grundlage für Agenturentscheidungen. Wäre ich Kunde, dann….Bin ich aber nicht. Und meine Ansichten bezüglich Pitches fanden nie besonders viele Fans auf Kundenseite. Also ziehe ich seit 25 Jahren fröhlich in die Pappenschlacht. Zu meinem silbernen Dienstjubiläum in diesem Jahr wünsche ich mir deshalb auch nicht, nie wieder pitchen zu müssen. Nach 25 Jahren wird man realistisch. Aber drei kleine Wünsche hätte ich:
Liebe Kollegen, falls ihr von mir in den letzten 25 Jahren einen der 7 Sätze oben gehört habt: Verzeiht mir! Statt aus einer Niederlage und ihren wahren Gründen, ehrlich eingestanden, zu lernen, habe ich Euch und wir uns klebrig-süß selbst belogen. Damit es nicht so weh tut. Damit wir schnell zur Tagesordnung übergehen können. Und beim nächsten Mal dieselben Fehler wieder machen.
Liebe Kollegen, falls ihr von mir in den nächsten 25 Jahren einen der 7 Sätze oben hören solltet: Raus mit mir! Sofort! Nur ehrlich mit sich selbst heißt sich selbst eine Chance zu geben, beim nächsten Mal besser zu sein. Alles andere führt zum Platzverweis.
Liebe Kunden, bitte, bitte verschont mich in Zukunft mit der “Knapp Zweiter”-Ansage. Selbst, wenn sie stimmt, nützt sie nichts, sondern macht nur extra-traurig. Was war nicht gut, wo hat die Agentur Fehler im Prozess gemacht? Her mit eurer Kritik. Alles andere will ich nicht mehr hören.
(P.S.: Dieser Blog handelt von professionell organisierten und ehrlich gemeinten Pitches. Was ich von der anderen Sorte Pitches halte, habe ich hier im Blog schon ausreichend dargelegt).
Ende des Textes von Hubertus von Lobenstein.