Einer der großen Klassiker in der gehobenen italienischen Gastronomie präsentiert sich seit dem Frühjahr anders. Das muss man wissen.
Hannover ist seit gut 30 Jahren eine geteilte Stadt. Zumindest in kulinarischen Kreisen und für Leute, die leidenschaftlich gern klassisch italienisch Essen gehen. Fragte man die einen, dann ging nur das Roma »von Lino«, fragte man die anderen, dann war »das Hindenburg« von Pierino jahrelang das Maß aller Dinge. Selten wurde die Wahl des »richtigen« Restaurants nach zwei Glas Barolo leidenschaftlicher diskutiert. Doch derweilen sich der Gast im Roma seit ewigen Zeiten auf Lino und alles Andere verlassen kann, wurde er im Hindenburg Klassik durchaus auch mal überrascht. Küche, Keller, Kosten waren nicht immer sicher kalkulierbar.
Doch seit April diesen Jahres weht in dem Eckladen im Zooviertel ein neuer Wind. Denn der Seniorchef hat das Restaurant an seine Tochter Gloria und deren Mann Maurice übergeben. Und die beiden setzten erst einmal ein Zeichen, das ich absolut überfällig fand: sie renovierten. Und zwar gründlich. Dezenter Chic, gedeckte Farben, moderne Akzente. Toll, dachte ich, das hat wirklich eine Menge gebracht. Im übrigen ist auch der Chef am Herd ganz neu.
Wir greifen also zu Messer und Gabel und freuen uns zu Beginn des Abends über den Hindenburgsalat mit einer Schalottenvinaigrette und Gemüse. Knackig und frisch, speziell die Vinaigrette verfügt über den geschmacklichen Pfiff, der leider vielen Salaten in der italienischen Gastronomie oft fehlt. Dazu ein Vitello Tonnato, das im Hindenburg traditionell mit Kapernblüten serviert wird. Die Tunfisch-Mayonnaise, leicht und zart, gehört für mich immer noch zur besten der Stadt. Das ist alles schon mal ziemlich fein. Also eine kurze Pause. Und auf Empfehlung ein Glas Vernaccia von Teruzzi & Puthod. Da kann man wirklich nicht viel falsch machen.
Unsere Hauptgänge kommen von der Tageskarte. Die schönen Filets vom Loup de Mer bestätigen einmal mehr die hohe Kompetenz der Küche in Sachen Fisch. Herrlich! Das habe ich auch in Neapel kaum besser gegessen. Die große Überraschung des Abends ist für mich jedoch das Stubenküken im Ganzen gebraten. Dazu ein überragendes Passionsfrucht-Risotto mit überaus interessantem Geschmack und dem von mir so geliebten glasierten Lauch. Das Hindenburg Klassik hat sich wirklich neu erfunden. Grazie? Mille!
(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Winter 2013. Jetzt am Kiosk!)