Tonträger sind irgendwie egal geworden, aus sorgsamen Sammlungen werden Datenschnipsel. Wohin mit der Musikliebe? Darüber schrieb neulich Max Scharnigg auf sueddeutsche.de. Und zwar so schön, dass ich dem nichts hinzuzufügen habe.
Die Band Phoenix hat eine Weihnachtssingle veröffentlicht. Zusammen mit Bill Murray und für einen guten Zweck. Eigentlich ein ziemlich perfektes Geschenk. Diese Single ist entweder als 7-Inch oder als Download zu erwerben. Irgendwie also doch kein so perfektes Geschenk mehr. Das eine Format ist zu speziell, das andere zu banal. Aber so wird Ende 2015 offenbar Musik vertrieben als Uralt-Vinyl oder Datenhaufen. Und irgendwo zwischen diesen beiden Extremen ist in den letzten fünf Jahren meine Plattensammlung verschwunden.
1990: CDs waren eine Botschaft direkt aus der Zukunft
Den Anfang machte eine wuchtige Kompaktanlage mit CD-Player am zehnten Geburtstag. Es war das Jahr 1990, CDs waren eine Botschaft direkt aus der Zukunft. Laser. Das irisierende Funkeln der Scheiben. Die Digitalzahlen. Keine Frage: Ich war im Besitz von Premiumtechnologie. Es gab auch zwei CDs dazu, Scorpions und eine obskure Tote-Hosen-B-Single. Ich schob die Erich-Kästner-Kassetten zur Seite. Platz für Scorpions und die Zukunft.
In den nächsten 15 Jahren kamen zu den zwei CDs etliche Tausend Stück dazu. Jede einzelne Platte war ein Stück von einem wunderbaren Puzzle, das niemals fertig war. Ich kaufte eine, und wenn ich sie gehört hatte, wusste ich, dass mir fünf fehlten. Zum Glück gab es so viel davon und zum Glück gab es keine Frage, wie Musik dargereicht werden sollte: Innerhalb von wenigen Jahren hatte sich die ganze Welt auf ein Format geeinigt, niemand diskutierte über den Träger, sondern über das, was er trug – die Musik.
Es hätte immer so weitergehen können
Und wenn die CD das Pferd war, war die Kassette der alte Esel. Das gutmütige Lasttier, mit dem man nach einem beherzten Tastendruck aufnehmen konnte, was im Radio lief. Und weltbeste Mixtapes anfertigen, die jeden Besitzer einer hoffnungsvollen Plattensammlung in die Lage versetzten, Mädchenherzen anzuweichen. CD und Kassette waren ein gutes Team. Ich und die Musik waren ein gutes Team. Es hätte immer so weitergehen können.
Platten sammeln macht glücklich. So wie jede Sammelleidenschaft, die nie an ein logisches Ende stößt. Ziemlich bald spürt der Sammler die Gegenwart seiner Sammlung als etwas viel Größeres als er selbst. Er begreift sich ab dann nur noch als Pförtner einer Welt. Sieht man sich die Porträts der großen Plattensammler im Mammutwerk „Dust & Grooves“ (erschienen bei Eden) an, steht ihnen allen das gleiche, leicht desperate Glück ins Gesicht geschrieben. Niemals genug und immer in Sorge. Alle in der Gewissheit, dass ihr eigenes Schicksal untrennbar mit den Regalen in ihrem Rücken verknüpft ist.
Das ist vielleicht der Unterschied zu anderen Sammlungen. Neben dem haptischen Anhäufen von Zeug gibt es hier eben die Musik selbst, deren Töne mit jeder Lebensminute verknüpft sind. Es müsste immer Musik sein, lautet eine alte Popforderung. Sammler arbeiten seriös daran.
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