Da gebe ich Markus Feldenkirchen …
… vom SPIEGEL uneingeschränkt Recht. Eine etwas mehr differenzierte Betrachtung, bitte:
Die irre Lust, Gerhard Schröder zu vernichten
Heute kommt in Hannover der SPD-Unterbezirk zusammen, um über den Ausschluss des früheren Kanzlers und Parteivorsitzenden Gerhard Schröder zu beraten. 17 Anträge von SPD-Orts- und Kreisverbänden aus ganz Deutschland liegen vor, die Schröders Rausschmiss verlangen. Die Entscheidung wird am Ende eine Schiedskommission treffen. Sie kann sich aber auch für weniger drastische Maßnahmen wie eine Rüge aussprechen.
Für einen Rauswurf müsste dem Altkanzler nachgewiesen werden, dass er der Partei absichtlich schadet. Das dürfte selbst für Besessene kompliziert werden. Dass Genossen Gerhard Schröder ernsthaft rauswerfen wollen, macht mich fassungslos. Die SPD wäre von allen guten Geistern verlassen.
Der Versuch wirkt, als wollte man Schröder aus der eigenen Historie rausretuschieren. Dabei ist Schröder einer der wenigen Politiker, die bereit waren, ihr Amt für eine inhaltliche Überzeugung aufs Spiel zu setzen. Um das anzuerkennen, muss man die Agenda-Reformen selbst nicht feiern. Angela Merkel jedenfalls hat 16 lange Jahre von Schröders Reformmut profitiert. Schröder hat das Land auch gesellschaftspolitisch stark modernisiert, hat das Land durchgelüftet. Er besaß zudem die Chuzpe, sich gegen den amerikanischen Angriff auf den Irak zu stellen. Zur Bilanz dieses großen politischen Lebens gehört also weit mehr als die viel zu große Nähe zu Wladimir Putin.
Dafür, dass er sich in den Dienst gleich mehrerer russischer Gaskonzerne stellte und auch seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht wirklich auf Distanz zu Wladimir Putin gehen will, wird Schröder seit Wochen zu Recht kritisiert.
Aber: Wie sich viele Bürger, SPD-Politiker und auch Journalisten dieser Tage im Furor gegen Gerhard Schröder unterhaken, ihn beleidigen, als sei er mindestens so schlimm wie Putin selbst, das empfinde ich als äußerst unangenehm und selbstgerecht. Diese Lust, einen Menschen zu vernichten! Geht es nicht ein wenig differenzierter? Zumindest mit einem Hauch von Restempathie mit einem, der sich offenkundig verrannt hat und dem offenkundig das innere Werkzeug fehlt, aus dieser Sackgasse der Trotzigkeit herauszufinden?