Autoren-Archiv

Handwerk. Goldener Boden.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 21. Juni 2017 von Thomas Lasser

Ist Kochen eine Kunst? Oder doch eher ein Handwerk? Reine Geschmackssache, würde ich sagen. 

Es gibt immer wieder Tage im Leben, die verlangen geradezu nach bestimmten Lokalen. Herzschmerz, Abmahnung, Großstadtblues: Wer dazu nicht jeweils einen Eintrag im Adressbuch seines Smartphones hat, hat die Adressen zumindest im Kopf. Und es gibt Läden, die einfach klassisch, geradezu zwingend sind, weil sie sich bedingungslos für die wichtigen Ereignisse des Lebens anbieten: erstes Date, fetter Aktiendeal, überstandene Scheidung. Und dann sind da Restaurants, die so bemerkenswert sind, dass es für sie schon eine besondere Laune und eine explizite Haltung braucht. Ich sage es mal so: Wer sich fühlt, als müsste er mit Sombrero und im Maßanzug barfuß über den Maschsee tanzen, dabei Emma Stone an der einen, einen Schimpansen an der anderen Hand, der unermütlich »Learn to fly« von den Foo Fighters singt, der ist in so einem Moment im Handwerk in der Südstadt goldrichtig. Häh?

Für einen Abend dort empfiehlt sich durchaus gute Laune, ein aufgeschlossener Geist, die Lust, mal auf Konventionen zu pfeifen und die Bereitschaft, eine, zumindest für Hannover, neue Art Restaurant kennenzulernen. Denn: Es gibt zur Zeit kaum einen schöneren Gastraum in Hannover. Hier wurde nicht nur Geschmack, sondern auch Geld investiert. Es gibt keine zweite gastronomische Adresse, die dem Gast eine derart straffe Karte präsentiert. Zwei Vorspeisen, zwei Zwischengerichte, einen (!) Hauptgang, Käse oder Dessert. Das muss einem erst mal passen. Und nirgendwo in der Stadt wird man vom überaus freundlichen Service, angeführt von Ann-Kristin Moser, derartig dokmatisch geduzt. Von Kneipen in Linden vielleicht mal abgesehen.

Aus den sechs angebotenen Gängen wählen wir vier. Der Zander »Ike Jime« schied besonders sanft aus dem Leben und schlummert jetzt auf einem Bett aus Gurkenwürfeln, bewacht von geschmackvollen Sojapilzen. Eine höchst sommerliche Vorspeise und ein klares Signal aus der kreativen Küche. Hier wird anders gedacht! Weiter geht es mit gegrilltem Spargel, der, flankiert von Fichtensprossen und »Erde«, uns eine wirklich neue Seite offenbart. Absolut betörend. Als nächstes verlässt ein Ravioli mit Entenklein die Küche, umspült von einer Sauce aus und mit Erbsen, verfeinert durch etwas Parmesan. Eine köstliche Interpretation eines klassischen Pastagerichts. Zum Abschluß wird eingelegter Rücken vom Rind serviert, dem ein Zwiebelkompott zur Seite gestellt wurde. Gerade zusammen ein geschmacksintensiver Ausklang des Abends. Der wird begleitet von einem roten Bordeaux, eine Cuvee aus Cabernet Sauvignon und Merlot, eine passende Wahl aus der kleinen, aber interessant zusammengestellten Karte. Eine sogenannte »Getränkebegleitung« gibt es auch, in deren Rahmen es durchaus mal Tee oder Saft zum Essen geben kann.

Wer das Handwerk besucht, der betritt also goldenen Boden. Das Restaurant funktioniert dank durchweg hoher Professionalität wie eine Eins. Detailbesessen, freundlich, effizient. Thomas Wohlfelds Küche ist für mich durchaus Kunst. Und die ist ganz nach meinem Geschmack.

IMG_3535

IMG_3536

IMG_3538

IMG_3540

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Sommer 2017. Jetzt am Kiosk! Ich fotografiere in den Restaurants grundsätzlich ohne Blitz. Daher die zum Teil maue Ausleuchtung.)

Absolute Spitze. Vom Weißwein mal abgesehen. Kreta 2017.

Ein Beitrag zum Themengebiet Reisen., geschrieben am 30. Mai 2017 von Thomas Lasser

SAMSUNG CAMERA PICTURES

SAMSUNG CAMERA PICTURES

SAMSUNG CAMERA PICTURES

SAMSUNG CAMERA PICTURES

Aus der Abteilung »Da wollte ich immer schon mal hin«.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 2. Mai 2017 von Thomas Lasser

Hass. Liebe.

Ein Beitrag zum Themengebiet Arbeiten., geschrieben am 7. April 2017 von Thomas Lasser

Warum ich seit über 25 Jahren immer wieder bei Apple anbeiße.

Als ich das letzte Mal an einem PC saß, war Deutschland frisch wiedervereinigt und die Boyband Take That wurde gerade gegründet. Der Rechner war so ein 386er, das Textverarbeitungsprogramm hieß WordPerfect und der Bildschirm war schwarz mit orangefarbenen Punkten. Und dann kam Apple.

Ende 1990 begrüßte mich mein erster Macintosh beim Einschalten (»Willkommen!«), verschob ich mit der Maus Objekte auf meinem Schreibtisch und Schrott, den ich geschrieben hatte, direkt in den Papierkorb. Bevor ich den Text zum Drucken gab. Es war der Beginn einer echten Liebesgeschichte, die, wie so oft in der Liebe, hin und wieder auch mit Hass einherging.

Geräte von Apple waren schon immer Designikonen ihrer Zeit. Gilt so oft »form follows function«, gilt bei Apple ganz oft »function follows form«. CD-Laufwerke? Nö, wir machen die Laptops dünner! (Und verkaufen die Dinger als Zubehör.) Nur noch einen USB-Anschluss? Es gibt doch Hubs! (Noch mehr Zubehör!) Klinkensteckerbuchse für die (sauteuren) »Beats« beim iPhone 7? Wir hätten da jetzt für 179 € ganz tolle neue Bluetooth-Ohrstöpsel in Angebot! (Mit denen man aussieht, als hätte man sich die Köpfe seiner elektrischen Zahnbürste in die Ohren gesteckt.)

Apple pfeift immer wieder auf Industriestandards und zwingt uns so neue Hardware anzuschaffen, weil die alte nicht mehr funktioniert. Auch darum ist das Unternehmen ja das reichste der Welt, häuft ein Vermögen, das ungefähr den gesamten Schulden Argentiniens entspricht, auf Konten an, auf die keine Steuerbehörde der Welt aktuell Zugriff hat.

Trotzdem: Ich liebe Apple. Weil diese wunderschöne »iWorld« (Rechner, Tablet, Telefon, Cloud) in ihrer Handhabung und in ihrer Intelligenz einfach einmalig ist. Weil dieser durchdachte Kosmos aus Hardware, die sich untereinander versteht und Software, die sicher läuft, für User wie mich erste Wahl ist und auch bleibt. Und nachdem ich mich über Monate Apple Music verweigert habe, (CDs, Leute, ich kaufe noch CDs!) habe ich seit diesem Sommer ein (natürlich kostenpflichtiges) Abo des Streamingdienstes und freue mich über Spartenkanäle, auf denen Musik läuft, die ich wirklich mag, Darauf mochte ich schon nach wenigen Tagen nicht mehr verzichten … Nur die iWatch, die braucht kein Mensch.

(Dieser Artikel erschien parallel im Corporte Blog der Agentur.)

Jazz for a new Generation. Robert Glasper.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 15. März 2017 von Thomas Lasser

Es ist ein schmaler Grad zwischen »geht«, »gut« und »geil«.

Ein Beitrag zum Themengebiet Arbeiten., geschrieben am 16. Februar 2017 von Thomas Lasser

Man muss sich das nur mal vorstellen: Die Beatles haben von 1963 bis 1970 Platten veröffentlicht. Acht Jahre lang. 12 Stück. Frontmann Paul McCartney veröffentlicht seit 1970 Platten ohne die Beatles. Also, das laufende mitgezählt, seit 47 Jahren. 25 Stück. In diesen fast fünf Jahrzehnten »solo« hat er jedoch wenig geschaffen, was es mit den Jahren davor auch nur ansatzweise aufnehmen könnte.

Das ist weder gemein noch hämisch. Es macht nur klar, wie Paul McCartney wirklich drauf ist. Die ganze Zeit nach den Beatles ist nämlich dadurch geprägt nicht mehr zu sagen als: Hey, ihr da, checkt, ich kann es auch alleine, ich brauche weder John Lennon noch irgendjemand anders, um Musik zu machen. Die Massen nicken wohlwollend, kaufen seine Platten, prügeln sich um Karten für längst ausverkaufte Konzerte. Flippen aber erst aus, wenn er alte Beatles-Stücke singt. Paul »geht«, die Wings sind »gut«, aber die Beatles, die sind eben »geil«.

Was das für die »Komposition« und das »Spielen« von Kampagnen bedeutet? Alles. Denn auch hier machen kleine Dinge den großen Unterschied.

Gutes Team zur richtigen Zeit am Start? Dann kann das was werden. Der Texter (nennen wir ihn … Paul!) und sein Gestalter (John?) können gut miteinander, verbringen gern Zeit zusammen, die Ideen fließen (A Hard Day`s Night) und bei der Präsentation spielen sie sich mit Leichtigkeit die Bälle zu. Kunde begeistert, Kampa verkauft, Ziele erreicht (We Can Work It Out). So geht das immer weiter. Ein paar Jahre lange, vielleicht. Das ist dann geil.

Irgendwann denkt Paul, och nee, immer dieses Ding mit John, immer die gleiche Agentur mit dieser merkwürdigen Philo (Yello Submarine). Tapetenwechsel, bitte. So. Und jetzt passiert es. Paul sitzt irgendwo mit Peter (?) zusammen. Ähnliches Thema, gleiche Aufgabe. Statt wie früher braucht Paul nun plötzlich tagelang um überhaupt eine brauchbare Idee zu haben. Die findet Peter aber erst mal blöde. Paul mault, der Kunde drängelt (Please, Please, Me). Kann man so machen, ist aber Kacke, sagt der Chef. Egal. Das Konzept wird präsentiert, der Kunde ist angetan, die Mafo sagt, solide! Das ist dann gut.

Paul wird mit der Zeit aber immer frustrierter. Er schmeißt alles hin, und denkt, was soll das ganze Ding, ich will keinen Peter mehr, ich kann das auch alleine. Er macht sich selbstständig, als Creative Consultant, genug Kontakte hat er ja. Dann mal los. Jobs akquirieren, Konzepte schreiben, Freelancer liefern Artwork dazu. Termine beim Kunden. Mal ordentliches, mal mäßiges Feedback (Can`t Buy Me Love). Spaß? Geht so. Motivation? Geht so. Erfolge? Na ja. Das ist dann (im besten Fall noch) gut (Help!).

Das Team ist der Held. Das war bei uns schon immer so, das soll auch so bleiben. Darum sind wir stolz, so viele gute Leute schon so lange bei uns zu haben (I Want To Hold Your Hand). Nächstes Projekt.

(Dieser Artikel erschien parallel im Corporte Blog der Agentur.)

Was ist Jazz?

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 24. Januar 2017 von Thomas Lasser

Wenn der Solist nicht die völlige Freiheit hat,
hört es auf, Jazz zu sein.
Jazz ist wahrscheinlich die einzige heute existierende Kunstform,
in der es die Freiheit des Individuums
ohne den Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls gibt.
(Dave Brubeck)

Photo of Dave BRUBECK

La Rock. Frankie Goes To Hollywood.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 9. Dezember 2016 von Thomas Lasser

Einer der versiertesten Gastronomen der Stadt hat einen neuen Laden. Für ihn ein langer Weg. Für mich ein echtes Vergnügen. 

Mal im Ernst: Man sollte nur noch Zuhause bleiben. Spontan einfach so ausgehen? Das machte früher mal Spaß, heute macht es nur noch müde. Überall nur Massenware und diese fürchterlichen Systemläden. Da ein weiteres Café Unvernunft, dort eine überflüssige Nudelbutze Allerlei. Runter vom Sofa, rein in die Kneipe? Nee, ab in die eigene Küche oder raus zu Freunden. Da weiß man, was man hat, oder …? Relax, dont`t do it.

Denn in der List gibt es seit September das La Rock, ein Restaurant, das der Modemann Uli Hahn mit dem Lokalmann Frank Ochotta an die Stelle des ehemaligen Azurro gezimmert hat. Ganz schön »rough«, partiell auch edel, irgendwie schon rockig, alles außer gewöhnlich. Ein Laden mit Charakter, wo, das sei schon mal verraten, es garantiert keine Gerichte von der Stange gibt, sondern eine junge Küche, die sich immer wieder neu erfindet. Saisonal, regional, phänomenal.

Hier könnte der Text eigentlich schon enden, der Leser das Heft zuklappen und selber mal hingehen. Wer trotzdem »dran« bleibt, der erfährt von diesen beiden jungen Köchen Annabell Müller (22!) und Phillip Wecke (25!), die etwas wirklich Großes in kurzer Zeit geschaffen haben: Eine Küche mit eigenen Stil, was man in Hannover nur noch sehr selten findet. Allein dieser Aspekt und Frank Ochottas Leidenschaft für guten Service schieben das Restaurant ganz oben auf meine Liste.

Dann lassen wir es also mal »rocken«, wie uns die Speisekarte verspricht. Eine Seite, je Kategorie drei Dinge zum Auswählen, fertig. Um unseren Appetit anzuregen wählen wir »Unser tägliches Brot«, kräftiges Bauernbrot aus der neuen Backstube von Jochen Gaues, üppig belegt mit frischen Tomaten, einer Avocadocreme und allerlei Salaten. Klasse gemacht und ideal zum Teilen, weil man ja noch mehr aus der Karte probieren will. Die Vorspeise lässt dann erahnen, was die Küche wirklich kann. Involtini, lauwarme Fleischröllchen vom Kalb, gefüllt mt einem Mix aus Basilikum und Saffran, abgerundet mit einer Paprikacreme als aromatischen Akzent. Zart, geschmackvoll, harmonisch, eine wundervolle Fortsetzung des ersten Kücheneindrucks. Im Hautgang? Zander! Und zwar Filets mit schmackhaftem Spitzkohl, gebratener Salami, einer Marmelade von schwarzen Oliven und einer Creme aus roten Tomaten. Dazu? Gnocchis! Insgesamt ein komplexes Geschmackserlebnis, das uns staunen lässt.

Dazu empfiehlt der Chef (auch) offene Weine, die man alle bedenkenlos ausprobieren kann. Und zwar von deutschen Winzern, die er gern persönlich kennt und die extra fürs La Rock ein besonderes Cuvée kreiert haben. Hier sind die Preise durchweg fair und die Qualität immer bestechend.

Frank Ochotta ist mit Uli Hahn und dem La Rock also ziemlich weit oben auf dem kulinarischen Olymp gelandet. Und was für Schauspieler bekanntlich Hollywood, ist für Gastronomen der Michelin. Der sollte hier zumindest mal reinschauen. Muss ja nicht – sofort, sogleich – ein Stern dabei rausspringen … Welcome to the pleasuredome!

img_2967

img_2968

img_2969

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Winter 2016. Jetzt am Kiosk! Ich fotografiere in den Restaurants grundsätzlich ohne Blitz. Daher die maue Ausleuchtung.)

Die Zukunft des Bauens. Der Roboter strickt das Dach. Wow.

Ein Beitrag zum Themengebiet Arbeiten., geschrieben am 23. November 2016 von Thomas Lasser

480 x 0511

Ein Beitrag zum Themengebiet Arbeiten., geschrieben am 27. Oktober 2016 von Thomas Lasser

Eine journalistische Institution mit Hang zur Jugendlichkeit wird 40. Also ist nun echt nicht mehr jung. Happy birthday, liebes Blatt!

Seit 40 Jahren nerven mich Leute, die Hannover laaaaangweeeeeiiiiilig finden. Die, gern zugereist (Pattensen, Peine … es ist so paradox), sich über Ecken aufregen, in denen sie selten (nüchtern) waren. Die von Leuten abfällig reden, die sie vielleicht mal (zufällig) getroffen haben. Die sich das Maul über Konzerte zerreißen, die ich nie besuchen würde, weil ich schon vorher ahne, dass das nichts werden kann. Die von Kneipen, Bars und Restaurants erzählen, die sie sicher kennen, aber eben nicht wie ich, also wirklich gut. Und die natürlich noch nie den SCHÄDELSPALTER gelesen haben. Da kann ich nur sagen: selber schuld. Dann wüssten sie nämlich, was es sich hier lohnt zu erleben. Denn das Heft ist seit ewigen Zeiten DIE Illu der Stadt. Der Guide zum Genuss. Was Solides zum Lesen über das Leben an der Leine. Wer den SPALTER kauft ist … gut (auch informiert). Seit September 1993 bin ich ziemlich stolz, mich hier (und da) immer wieder redaktionell einmischen zu dürfen.

(Dieser Text erschien als kleiner Geburtstagsgruß im Jubiläumsheft des SCHÄDELSPALTER für den November 2016. Jetzt am Kiosk!)